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Unfairer Kaffee

Hintergrund

Kaffee in Deutschland – mit bitterem Beigeschmack

Der Kaffee, der in Deutschland konsumiert wird, wird überwiegend unter unfairen Bedingungen gehandelt. Während Starbucks & Co enorme Gewinne mit dem Verkauf von Kaffee machen, sind die Einkommen und Löhne der Menschen, die im Kaffeeanbau arbeiten, in der Regel so niedrig, dass davon für viele keine Existenzsicherung möglich ist – es fehlt an Geld für Nahrung, Gesundheitsversorgung, Bildung und andere Grundbedürfnisse. Auf Grund der niedrigen Einkommen sind viele Familien gezwungen, ihre Kinder auf den Plantagen mitarbeiten zu lassen. Weitere Menschenrechtsverletzungen sind im Kaffeeanbau weit verbreitet. Dazu gehört zum Beispiel, dass Menschen ohne Schutzausrüstung hochgiftigen Pestiziden ausgesetzt werden. In Brasilien – wo ein Großteil unseres Kaffees produziert wird – herrschen teilweise sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen. 

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Existenzsichernde Einkommen – ein weit entferntes Ziel

Wer den ganzen Tag in einer normalen Arbeitswoche arbeitet, sollte von seinem Einkommen oder seinem Lohn die wesentlichen Grundbedürfnisse erfüllen können – soweit die Theorie und der Anspruch, den wir und viele andere Akteur*innen an die Kaffeebranche stellen. 

Laut der Global Living Income Coalition ist ein Einkommen dann existenzsichernd, wenn es ausreicht, um davon den Zugang zu Nahrung, Wasser, Wohnung, Bildung, Gesundheitsfürsorge, Transport und Kleidung sicherstellen zu können und wenn es zudem die Vorsorge für unerwartete Ereignisse ermöglicht. Davon sind viele Bäuer*innen und Arbeiter*innen im Kaffeeanbau noch weit entfernt.

Eine wesentliche Ursache für die extrem niedrigen Einkommen und Löhne sind die geringen und stark schwankenden Preise, die Kaffee-Erzeuger*innen für ihren Kaffee bekommen. Die Preise, die Erzeuger*innen für ihren Kaffee erhalten, sind von vielen Faktoren abhängig, von denen sie nur einen kleinen Teil selbst in der Hand haben – dazu gehören klimabedingte Ernteausfälle, Schwankungen von Angebot und Nachfrage, Wechselkursschwankungen sowie Spekulationen an der Börse.

Kaffeehändler*innen müssen höhere Preise zahlen
Wir denken, dass eine Marktregulation notwendig ist, um zu erreichen, dass der Kaffeehandel nicht länger auf Ausbeutung basiert und Erzeuger*innen vor extrem niedrigen Preisen geschützt werden. Wir fordern daher ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten und die Errichtung einer unabhängigen Ombudsstelle für die Preisbeobachtung.

Fair Trade International zeigt auf, wie es funktionieren kann, die Produktionskosten für verschiedene Länder zu bestimmen und davon sogenannte Referenzpreise für existenzsichernde Einkommen abzuleiten. 

Bisher liegen Analysen zu den Ländern Kolumbien, Honduras, Indonesien, Uganda und Äthiopien vor. Sie verdeutlichen, dass die realen Kaffeepreise meistens zu niedrig sind und teilweise nur die Hälfte eines Referenzpreises für existenzsichernde Einkommen ausmachen. Nun sind die Unternehmen gefragt, ihre Einkaufspraktiken zu überprüfen – dazu verpflichtet sie auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. 

Und auch die Politik ist gefragt, durch weitere gesetzliche Regulierungen für die Verwirklichung existenzsichernder Einkommen zu sorgen.

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Kinderarbeit – Folge der Hungerlöhne

Kinderarbeit in der Kaffeeproduktion ist in vielen Ländern, wie Tansania, Guatemala, Kenia, Honduras, Peru und Malaysia weit verbreitet. Aufgrund geringer Einkommen der Familienmitglieder sind Kinder häufig gezwungen, bereits in frühen Jahren auf den Plantagen zu arbeiten. In Äthiopien beginnen die Kinder teilweise bereits mit 9 Jahren in der Ernte. Sobald sie etwas älter sind, übernehmen sie auch weitere Aufgaben, wie Beeren aufsammeln, Einsprühen der Bäume mit Pestiziden, Dünger auftragen und schwere Säcke oder Kisten tragen. Häufig gibt es weder Schutzausrüstung noch Pausen während des viel zu langen Arbeitstages.

Mehr als 40 Stunden pro WocheArbeit – mit 5 Jahren 
Im Rahmen einer Studie zur Kinderarbeit in Äthiopien wurde ermittelt, dass fast ein Drittel der arbeitenden Kinder zwischen 5 und 9 Jahren mehr als 40 Stunden pro Woche arbeitet. Bei Kindern im Alter zwischen 10 und 17 Jahren können die Arbeitszeiten sogar auf mehr als 49 Stunden pro Woche ansteigen. Durch die harte Arbeit auf den Plantagen fehlen die Kinder häufig in der Schule und verlieren ihre Chance, später einen anderen Job zu finden, wodurch viele Genrationen in der gleichen Lebenslage feststecken.

Gesundheitsgefahren durch Kinderarbeit
Auch die Gesundheit der Kinder wird durch die körperlich belastende Arbeit stark beeinflusst. So besteht für viele Kinder ein hohes Risiko, an Lungenentzündung oder Malaria zu erkranken. Durch Pestizide oder weitere Chemikalien drohen Vergiftungen und Atemwegserkrankungen. Schuld an diesen Umständen sind die geringen Preise, welche durch den Weltmarktpreis beeinflusst werden. Dieser lag im Januar 2020 beispielsweise bei circa einem US-Dollar für etwa ein halbes Kilo Rohkaffee. Um den Kaffee auf dem Weltmarkt für gerade einmal zwei Dollar je Kilogramm verkaufen zu können, wird den Arbeitskräften auf den Plantagen nicht mehr als 2,5 Cent pro Tasse Kaffee bezahlt. Laut der Organisation Gemeinsam für Afrika müsste die Auszahlung mindestens vervierfacht werden, um zu ermöglichen, dass die Kinder der Arbeiter*innen nicht mit auf den Plantagen ackern müssten.

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Moderne Sklaverei in Brasilien

Überlange Arbeitstage, extrem schlechte Wohnbedingungen, keine Arbeitsschutzkleidung und Umgang mit zum Teil hoch gefährlichen Pestiziden – dies ist traurige Realität von vielen Hunderten Arbeiter*innen auf den Kaffeeplantagen in Brasilien. Die Mehrheit der brasilianischen Kaffee-Pflücker*innen sind Saisonarbeiter*innen, und etwa die Hälfte arbeitet ohne Vertrag. Das heißt, sie verfügen über keinerlei Arbeitsrechte und arbeiten oftmals unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Verstöße gegen die Arbeits- und Menschenrechte zeigen unter welchen prekären Bedingungen die Erntehelfer*innen auf den Kaffeeplantagen schuften. Die meisten von ihnen werden saisonweise für die Ernte angeworben und viele hundert Kilometer von ihrem eigenen Wohnort entfernt eingesetzt. Sie werden unter extrem schlechten Bedingungen untergebracht – mit vielen Personen in einem Raum, ohne Matratzen, teilweise ohne Warmwasser und ohne Toiletten. 

Die Arbeitstage sind mit teilweise 12 Stunden sehr lang
Die Bezahlung erfolgt je nachdem wieviel sie ernten. Das Geld bekommen sie nicht am Ende des Monats ausgezahlt, sondern erst am Ende der Erntesaison. Allerdings wird ihnen so viel vom Lohn abgezogen (für Essen, Unterkunft etc.), dass sie am Ende gar nichts bekommen oder sogar verschuldet sind. Da sie kein Geld bekommen, können sie ihr Ticket für die Rückreise an ihren Heimatort nicht bezahlen. Diese Form der Ausbeutung wird als moderne Sklaverei bezeichnet. 

Jorge Ferreira dos Santos von der brasilianischen Organisation ADERE berichtet über Menschenrechtsverletzungen und moderne Sklaverei im brasilianischen Kaffeeanbau.
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Moderne Sklaverei

Mit dem Zusatzübereinkommen der Vereinten Nationen zur Abschaffung der Sklaverei sind Sklaverei ähnliche Praktiken seit 1957 verboten. Der Begriff der modernen Sklaverei umfasst heute eine Vielzahl an Ausbeutungsverhältnissen. Häufig sind Arbeiter*innen bei ihren Arbeitgeber*innen verschuldet, sodass sie den Arbeitsplatz nur schwer wieder verlassen können. Somit entstehen zwangsarbeitsähnliche Arbeitsverhältnisse.

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Kaffee aus sklaverei-ähnlicher Produktion

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Kaffee in unseren Tassen unter diesen menschenunwürdigen Bedingungen angebaut wurde. Seit 2003 gibt es in Brasilien eine Verbotsliste, auf der Arbeitgeber*innen gelistet werden, denen schwere Arbeitsrechtsverletzungen gemäß der Definition für moderne Sklaverei nachgewiesen wurden – die sogenannte „Lista Suja“ („schmutzige Liste“). Jedes Jahr finden sich  auch Eigentümer*innen von brasilianischen Kaffeeplantagen auf dieser Liste. Recherchen von Oxfam belegen, dass Aldi Nord, Aldi Süd, EDEKA, Lidl und Rewe alle in Verbindung mit Kooperativen stehen, die von Farmen Kaffee bezogen haben, deren Eigentümer*innen auf der „Lista Suja“ stehen. "Allein von 2020 bis 2022 wurden mehr als 600 Arbeiter*innen aus sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen befreit. Die Fälle betreffen sogar preisgekrönte Kaffeefarmen. Einer der Gründe dafür ist, dass die großen Unternehmen keine wirksamen Maßnahmen ergreifen, um die Herkunft des von ihnen gekauften Kaffees zurückzuverfolgen. Solange sich dies nicht ändert, wird Brasilien weiterhin Kaffee auf Kosten der leidenden Arbeiter*innen exportieren.“ Fernanda Pinheiro von der Brasilianischen Menschenrechtsorganisation Conectas Direitos Humanos. 

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Aktiv werden

Was Du tun kannst, damit Kaffee für alle fair ist

Jede*r kann einen kleinen Beitrag leisten für einen fairen Kaffeehandel – vom privaten Einkauf über die öffentliche Beschaffung bis hin zum politischen Engagement für faire Lieferketten.

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Faire Unternehmen

Was wir von Unternehmen erwarten

Noch handeln viele Unternehmen in der Kaffeebranche nicht fair. Wir zeigen auf, was sich ändern muss, damit Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden.

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Faire Politik

Was wir von der Politik erwarten

Auch die Politik ist gefordert, für Menschenrechtsschutz in Kaffeelieferketten zu sorgen. Dafür sind neue gesetzliche Regulierungen notwendig.

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Fairer Einkauf

Fairer Kaffee für alle!

Bisher ist der Faire Kaffeehandel in Deutschland eine kleine Nische. Wir wollen, dass sich das ändert. Dafür sind alle gefragt, beim Einkauf fair gehandelten Kaffee zu wählen – Kommunen, Schulen, Unternehmen und natürlich jede*r einzelne.